Der Wiederaufbau des Domes zu Münster

Dombaumeister Heinrich Benteler

zerstörter Dom 1945

Der erste Bombenschaden im Sommer 1941 war nach einem Jahr wieder behoben. Wir hatten durch diese ersten Zerstörungen erkannt, in welcher Gefahr unser Dom mit den vielen Werken alter westfälischer Kunst bei den nun immer häufiger auftretenden Angriffen auf die Stadt Münster schwebte; und so wurde es unsere Aufgabe, die wertvollsten Figuren und Bilder von den Wänden zu nehmen, den großen bronzenen Leuchter aus dem 16. Jahrhundert in Kisten zu verpacken, die großen geschnitzten Kopfstücke des Chorgestühls loszunehmen und alles, was wir schätzten, sorgsam in die unteren Turmkapellen zu schaffen und diese dann mit einer starken Abmauerung zu schützen. Ebenfalls wurden die romanischen Apostelfiguren im Paradies eingemauert. Die die Angriffe mehrten sich; die Bomben wurden immer schwerer, und oft lagen wir bei den Bombeneinschlägen auf den schmalen Turmtreppen, bis die Staubwolken wieder abgezogen waren. Die Zerstörungen aber, die der schwarze Tag von Münster - der 10. Oktober 1943 - brachte, waren so schwer, dass wir die Hauptschadensstätte, dass Westquerschiff, durch eine Wand abtrennten, um den übrigen Teil des Domes wieder benutzen zu können. Die Beseitigung der Schäden am Hauptschiff waren noch in vollem Gange, als im September 1944 und Oktober 1944 der Dom weitere Schäden erhielt. Am 23. März 1945 wurde er wieder von sechs schweren Sprengbomben getroffen, die unbeschreibliche Verwüstung anrichteten; und dieser Trümmerberg wurde zwei Tage später mit einem Brandbombenregen geradezu überschüttet, sodass er am Ende des Krieges eine Stätte der Verwüstung und des Grauens war.

Die Jugend und begeisterte freiwillige Helfer machten sich im Sommer 1945 unter der Leitung von Domvikar Leiwering daran, die Berge von Trümmern aus dem Dom herauszuschaffen, sodass im Herbst 1945 die Domruinen vom größten Schutt frei waren. Wir standen jetzt vor der Frage des Wiederaufbaus. Da hieß es zunächst, die noch stehenden Bauteile zu sichern, Dachteile zu errichten, um weiteren Einsturz zu verhindern. Auswärtige Fachleute schlugen für den Wiederaufbau des Domes eine flache Decke vor, aber das Domkapitel wollte den Dom wiedererstehen lassen, wie er früher war, werkgerecht die Mauern und mit alter Gerechtigkeit die Gewölbe.

Dombauhütte

Arbeiter und Maurer für den Wiederaufbau zu finden war sehr schwer. Ausgebildete Steinmetzen, wie wir sie nun brauchten, gab es überhaupt nicht mehr. Nach meinem Vorschlag beim Domkapitel wurde nun die Dombauhütte Münster gegründet, und junge Männer wurden zu Steinmetzen ausgebildet, Steinmetzmeister Ahlers aus Billerbeck wurde Meister der Dombauhütte. Dann wurden Werkstätten gebaut für Steinmetzen, eine Schmiede und eine Schreinerei. Wir trafen Vorbereitungen für eine eigenes Heim für Steinmetzlehrlinge.

Steinmetz bei der Bearbeitung des Bischofstuhles

Wenn auch zunächst das Steinmaterial aus den Trümmern zur Verfügung stand, so stellte sich bald heraus,  dass größere Steinblöcke fehlten, und es ergab sich die neue Schwierigkeit der Steinmaterialbeschaffung. Ein eigener Steinbruch in den Baumbergen musste errichtet werden, damit die Bauhütte genügend Material zur Verfügung hatte. Und als der erste Steinbruch ausgeschöpft war, wurden noch in zwei weiteren Brüchen die Baumberger Steine gebrochen.

Schwierigkeiten machte auch die Beschaffung des Bauholzes. Die alte Dachkonstruktion ganz aus Eichenholz wiederzuerrichten, war schon ganz unmöglich, da Eichen dieses Formates im Münsterland nicht mehr zu finden waren. Wir haben also Eisenbinder genommen, die mit Eichensparren belegt und mit der eigenen Schalung versehen wurden. Die Waldbesitzer des Münsterlandes haben durch ihre Holzspenden die Wiederherstellung des Daches ermöglicht.

Um möglichst bald einen – wenn auch nur kleinen – Gottesdienstraum wieder im Dom zu schaffen, war die Frage zu entscheiden, ob das Paradies, das durch ein Dach gesichert wurde, oder die Marienkapelle dafür wieder aufgebaut werden sollte. man entschied sich für den zweiten Plan, da die Sakristei, durch ein Notdach gesichert, notdürftig benutzt werden konnte. So wurden die Marienkapelle und ein Teil des Kreuzganges für den Gottesdienst hergerichtet und dienten bislang als Raum für den Domgottesdienst. Beim Wiederaufbau des Domes stellte es sich heraus, dass nicht nur zerstörte Mauerteile zu ergänzen waren und eingestürztes Gewölbe errichtet werden mussten, sondern dass auch das gesamte Mauerwerk der einzelnen Kapellen und Domteile erschüttert und gelockert waren. Daher wurde das gesamte äußere Mauerwerk aller Teile des Domes mit einem schweren Betonringanker gefestigt und verbunden.

Während in den ersten Jahren der Wiederaufbau nur langsam voranging, konnte das Tempo seit 1950 beschleunigt werden, weil  außer den Mitteln des Dombauvereins größere Unterstützungen des Landes Nordrhein-Westfalen und auch der bischöflichen Behörde zum Wiederaufbau zur Verfügung gestellt werden konnten. Neben der baulichen Wiederherstellung des Domes ging die Restaurierung der vielen zerstörten Bildwerke des Dominneren. Da viele Bildwerke (Epitaphien), die aus Alabaster hergestellt waren, repariert werden mussten, war auch die Besorgung des Alabasters eine Frage. In der Nähe von Bebra konnte dann Alabaster gebrochen und gekauft werden.

Da der zerstörte Westgiebel des Domes aus einem anderen Stein erbaut ist als der andere Teil des Domes, musste ein dazu passender Stein gesucht werden. Nach manchen Schwierigkeiten erhielten wir dann beim Bauern Josef Hinse (Altenberge) die Möglichkeit, diesen Stein zu brechen. Es war eine schöne Aufgabe, den alten ehrwürdigen Dom zu Münster wieder herzustellen, damit er in seiner alten Schönheit erstrahlte. Durch die Zerstörung kam es, dass er von manchem späteren Beiwerk (z. B. Ausmalerei), das seiner Architektur nicht diente, befreit wurde. Ein Dank wäre allen zu sagen, die Hand anlegten in der Dombauhütte oder bei den verschiedenen Firmen, die am Dom schafften.

Quelle: Gottes Dom und Gottesvolk, Festschrift zur Wiedererrichtung des hohen Domes zu Münster (Aus dieser Festschrift stammen auch die Bilder)

Der Wiederaufbau war 1956 fertiggestellt.






Blick in das Mittelschiff des Domes. Die flächendeckende Wandbemalung stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Zu erkennen ist die bis zum Beginn der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts getrennte Sitzordnung nach Geschlechtern: Frauen saßen links, Männer rechts.




Blick in den Altarraum. Der Paulusaltar, heute im Westchor, stand am äußeren Ende der Apsis und war damit 34 m von der Kommunionbank entfernt.






Der Kreuzgang. Die am linken Bildrand erkennbare Sakramentskapelle war ursprünglich die Sakristei gewesen. Zuletzt diente sie als Domkammer.

Die Fotos stammen aus einem alten Domführer