Johannes Loy: Westfälische Nachrichten 21.Mai 1998

 Kirchenfenster eines Meisters

Vor 100 Jahren wurde der Künstler Paul von der Forst geboren

Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Altarfenster in der Lambertikirche und das Apsismosaik in der Matthäuskirche. Anlässlich seines 100. Geburtstags im Jahre 1985 schrieb Johannes Loy eine Würdigung in den Westfälischen Nachrichten.


Münster/Bocholt.
Viele Christen gehen am heutigen Fest Christi Himmelfahrt in die Kirchen. Sie feiern an diesem Tag einen bedeutsamen Aspekt des Ostergeschehens, die Rückkehr des auferstandenen Christus zum Vater. Vielen Kirchenbesuchern ist es vielleicht nicht bewusst, doch in etlichen Gotteshäusern des Münsterlandes befinden sich schmucke Kirchenfenster, deren Schöpfer am 22. Mai von 100 Jahren geboren wurde. Sein Name ist Paul von der Forst.

Große, farbig gefasste Glasfenster. Mitte und Schwerpunkt dieses emsigen Künstlers, der 1978 in seiner Vaterstadt Münster gestorben ist, schmücken heute unter anderem die Kirchen St. Lamberti, Heilig Kreuz, Herz Jesu und die Matthäus-Kirche in Münster, ferner Sankt Georg in Bocholt, Sankt Lambertus in Erwitte und Bremen-Vahr, Hl. Kreuz in Neumünster und die Stiftskirche in Flaesheim bei Haltern.

Glasbeton Fenster und Mosaiken wie in der Friedhofskapelle in Legden sowie Glasschliff-Fenster wie in der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster kommen hinzu und zieren in Orten wie Münster, Wuppertal, Beckum und Letmathe etliche profane Gebäude, darunter Schulen, Krankenhäuser, Rathäuser und Bankgebäude. Paul von der Forst hatte einen Stil, den selbst Unkundige unter vielen anderen Kunstwerken leicht erkennen können. Hell und Dunkel finden eine ruhige Symbiose, Gesichter und Formen deutete der Künstler mit nur wenig farbig gestalteten Flächen an, hielt stets die Balance zwischen Figürlichkeit und Abstraktion. Ölgemälde künden von der anderen Begabung des Münsterschen Künstlers. Sie zeigen vor allem Porträts, Blumen und Landschaften. Paul von der Forst entstammte einer alten Münsterschen Künstlerfamilie, die noch heute in der Region ansässig ist. Sein Großvater hatte 1860 eine Glasmalerwerkstatt gegründet, sein Sohn führte die Arbeit fort und hielt wiederum seinen Sohn an, in seine Fußstapfen zu treten. Paul von der Forst lebte nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg 17 Jahre in Dachau und München, studierte bei Professor Klemmer an der Staatlichen Kunstanstalt und in den Vereinigten Werkstätten für Glasmalerei in München und Berlin.

1940 kehrte er nach Münster zurück, wo er von 1946 an als Glasmaler bis zu seinem Tod 1978 selbständig war. Auf vielen Ausstellungen war Paul von der Forst ein gern gesehener gast. so 1929 im Glaspalast in München, in Augsburg, in Dachau, Bamberg und Soest. Seine Kirchenfenster sind auch heute noch von großer Ausdruckskraft, verströmen warme Farben, aber mitunter auch eine herbe Strenge der Formgebung. Kunsthistoriker ordnen seine Arbeiten am ehesten dem Spätexpressionismus zu. Wer in diesen Tagen in seiner Heimatpfarrei auf Glasfenster des Künstlers stößt und sie wieder für sich entdeckt, sollte einmal auf die bewusst übertriebene Gestik der Hände der Figuren achten, die der Meister so gekonnt schuf. Süßlichkeit und Weichheit wird man hier nicht finden, von der Forst wollte sich bewusst abwenden von den Glasarbeiten früherer Jahrhunderte. In der Tradition der Glaskünstler malte von der Forst mit Glas, nicht auf Glas. Ein Kunsthistoriker hat einmal über seine Arbeiten gesagt, dass sie den Fenstern der Kathedrale von Chartres sehr nahekämen. Das Grab von der Forsts befindet sich auf dem Zentralfriedhof in Münster.



Werke von Paul von der Forst in Münsteraner Kirchen:

  • Matthäuskirche (ev.): Christus als Weltenrichter/Mosaik 1963
  • Universität Münster, Fakultät für evangelische Theologie: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde/Fenster 1963
  • Stadt- und Marktkirche Sankt Lamberti: Christi Aufersteheung/Fenster der Apsis 1955
  • Kirche Heilig-Kreuz: Der Auszug aus Ägypten 1950
  • Herz-Jesu-Kirche: Ornament 1966-1967
  • Kirche des Kapuzinerklosters: St. Laurentius von Rom, St. Konrad von Parzheim, St. Josef von Nazaret 1952

Von Gerhard H. Kock (Westfälische Nachrichten, 26.01.2016)

Glas-Fenster von Paul von der Forst
in der Evangelischen Fakultät
Rätsel-Kristalle mit Tiefgang

Wie der Sämann (in der Mitte) die Saat ausbringt, so soll das Wort Gottes unter die Menschen gebracht werden, auf dass es auf fruchtbaren Boden falle und weder aufs Feld noch unter die Dornen. Paul von der Forst hat das Gleichnis im Windfang der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Universitätsstraße 13-17, in Glas gefasst. Foto: Gerhard H. Kock

 

Mitte der 50er Jahre schuf Paul von der Forst für die Universität Fenster für das Treppenhaus und den Windfang der Evangelischen Fakultät. Die spätexpressionistischen Bilder beziehen sich auf Bibel-Stellen und sind höchst abstrakt.

Wer bibelkundig ist, hat es leichter. Tiere, Engel, Menschenwesen vermag der geübte Blick nach einer Weile herauszufiltern, aber biblische Geschichten? Paul von der Forst hat Mitte der 50er Jahre für die Evangelische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität im Treppenhaus und am Windfang Glasfenster zu Bibel-Stellen geschaffen. Der kristalline Fleckenteppich in Grau wirkt auf den ersten Blick wie ein chaotisches Kaleidoskop.


Wie die Bibel die Auslegung, so erfordern die mit Glas „gemalten“ spätexpressionistischen Bilder eine lange Beobachtung. Einige Motive im Erdgeschoss ermöglichen den Einstieg: „Und vor dem Stuhl war ein gläsernes Meer gleich dem Kristall, und mitten am Stuhl und um den Stuhl vier Tiere, voll Augen vorn und hinten. Und das erste Tier war gleich einem Löwen, und das andere Tier war gleich einem Kalbe, das dritte hatte ein Antlitz wie ein Mensch, und das vierte Tier war gleich einem fliegenden Adler.“ So heißt es in der Offenbarung des Johannes. Der Löwe ist gut zu erkennen. Ferner beziehen sich Motive auf Genesis-Zitate und einen Paulus-Brief an die Korinther.

Der gebürtige Münsteraner Paul von der Forst (1898-1978) entstammte eine alten münsterischen Künstlerfamilie. Schon Großvater und Vater waren Glasmaler. Paul von der Forst malte nicht auf, sondern mit Glas. Die Stiftung Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhundert listet 26 großformative Arbeiten auf, darunter fünf Arbeiten in Münster: Kapuzinerkloster, Herz-Jesu-Kirche, St.-Lamberti-Kirche, die Kirche Hl. Kreuz und die Fakultät der evangelischen Theologie der Universität.
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Die erste Werkstatt von Paul von der Forst befand sich am Hoppendamm Nr.6, nach dem Krieg ließ er sich in der Straße Am Schlossgarten nieder.