Das Kloster der Armen Klarissen am Aasee

1864 - 2000

Dort, wo die Scharnhorststraße in die Weseler Straße einmündet, stadteinwärts gesehen auf der linken Seite, befand sich bis zum Jahre 2000 ein unauffälliges Kloster: das Kloster der Armen Klarissen. Diese waren hier seit 1614 in Münster ansässig.
Etwa 400 Jahre nach der Gründung des Klarissenordens in San Damiano vor den Toren Assisis erhielt die Stadt Münster ihr erstes Klarissenkloster. Es lag an der Stubengasse: Die dort 1999 durchgeführten Ausgrabungen brachten die Grundmauern der kleinen Klosterkirche wieder zu Tage. Die Reste des eigentlichen Klostergebäudes selbst liegen unter dem Asphalt der heutigen  Stubengasse und können nicht mehr erforscht werden. Knapp 200 Jahre lang, von 1617 bis 1811, hatte das Kloster dort Bestand. In der folgenden Zeit sollte ihm nicht mehr viel Ruhe vergönnt sein.

Modell aus dem Erbdrostenhof

1811 löste Napoleon es auf. Er hatte die Stadt Münster zu einem Teil des Departements Berg erklärt und  zu einem Teil Frankreichs gemacht. Die von der Französischen Revolution geforderte Trennung von Staat und Kirche sollte auch im ehemaligen Fürstbistum verfestigt werden, und aus diesem Grunde schloss ein Dekret des Kaisers die meisten Klöster der Stadt. Die Schwestern wurden auf die Straße gesetzt, das sparsame Mobiliar verkauft.

Eine ganze Generation verging, bevor es zu einer Neugründung kam:
1857 entstand ein neues Klarissenkloster, diesmal in bescheidenen Gebäuden am Bispinghof. Doch die nahegelegene Ägidii-Kaserne mit ihrem Lärm war ungeeignet als Nachbarschaft für die Schwestern. Ein Gastwirt namens Winkelset, der Ländereien an der Aa vor dem Ägidiitor besaß, half aus, indem er den Schwestern Grundstücke zur Verfügung stellte. Es sollte eigentlich eine Schenkung sein, aber entsprechend der Regel, den Orden  zu völliger Besitzlosigkeit verpflichtete, übertrugen die Schwestern das Grundstück dem Grafen Droste zu Vischering.

Der Bau begann 1864. Das Grundstück lag damals noch in völliger Abgeschiedenheit. Auf dem Gelände hatte einst eine Windmühle gestanden.



Otto Modersohn: Sommerlandschaft


Die Aawiesen und im Hintergrund das Klarissenkloster in den 80er Jahren. Vor dem Kloster erkennt man als weiße Flecken die Wäsche, die in den Aawiesen zur Bleiche ausgelegt wurde. (zum Vergößern anklicken)

Der Klarissenorden gehört zu den Kongregationen, die völlig unpolitisch sind, aber die Politik der kommenden Zeit wird ihnen keine Ruhe lassen. Die Schwestern blieben nicht lange am Ufer der Aa. Nach etwa knapp 20 Jahren (1875) mussten sie das Kloster wieder verlassen und wurden aus Deutschland ausgewiesen. Grund  war der Kulturkampf, der Auseinandersetzung zwischen des Reichskanzler Bismarck und der  katholischen Kirche. Der Orden wurde von der Regierung als „staatsbelastend“ und „staatsfeindlich“ eingestuft; die des Landes verwiesenen Schwestern fanden Zuflucht in Holland. Um die Reisekosten zu decken hatten sich Pluggendorfer und andere Münsteraner Bürger etwas einfallen lassen. Sie verkauften das Inventar des Klosters zu absichtlich überhöhten Preisen und finanzierten mit dem Geld die Reise. Das Exil der Schwestern dauerte 12 Jahre. Dann kehrten sie zurück.

der Vorgarten an der Scharnhoststraße


Der Nationalsozialismus bedrohte erneut ihre Existenz. Klöster wurden beschlagnahmt, wenn sie keine Existenzberechtigung nachweisen konnten. In unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters hatten die Nationalsozialisten das Gauhaupthaus gebaut, eine Nutzung des Klostergebäudes für die Parteiverwaltung wäre naheliegend gewesen. Die Schwestern übernahmen Strick-, Flick-, und Näharbeiten als so genannte kriegswichtige Tätigkeiten. Dennoch wurde das Haus von den Nazis inspiziert. Diesmal aber wurden die Schwestern durch ihre Armut vor Schlimmem bewahrt: das Gebäude war nicht heizbar und deshalb anderweitig kaum zu nutzen. Sie durften bleiben - allerdings war der Krieg stärker. In den Bombardierungen 1943 und 1944 wurden die Gebäude zerstört; die Schwestern zogen nach Nordwalde. Der Wiederaufbau begann 1948 in Anlehnung an den Vorkriegsbau. Er wurde 1954 vollendet.

Das neue Jahrtausend brachte nun das Aus für das kleine Kloster am Aasee.  Die letzten Schwestern, die dort noch wohnten, siedelten nach Kevelaer um. Für die Pluggendorfer ging damit ein Stück Tradition, die vielen lieb und teuer war.
Viele erinnern sich noch an das so genannte Hungerglöckchen, das die Schwestern läuten durften, wenn sie 48 Stunden lang nichts zu essen bekommen hatten. In der Nachkriegszeit konnte das durchaus noch vorkommen. Dann brachte die Nachbarschaft ihnen Lebensmittel. Später war  es eher umgekehrt: so mancher Obdachlose sprach dort vor, wenn er Hunger hatte.
Schwestern, die in dieses Kloster einmal eingetreten waren, sahen die Außenwelt nicht mehr. Eine Ausnahme bildete das Jahr 1919: Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte durften auch die Frauen wählen. Pluggendorfer Nachbarn organisierten einen Fahrdienst, um die Schwestern zum Wahllokal zu bringen. Das Stauen, als diese zum ersten Mal ein Auto sahen, kann man sich nicht groß genug vorstellen.



Das Grundstück übernahm der als Eigentümer eingetragene Graf Droste zu Vischering. Er ließ ein schmuckloses Bürogebäude an der Scharnhorststraße/WEseler Straße errichten.

Wo sich einst der der Klostergarten befunden hatte, entstanden zwei Wohnblöcke mit seniorengerechten Wohneinheiten für den gehobenen Bedarf, der "Wohnpark Vischering"


  

Der Abriss

Die Fensterläden der Rundbogenfenster waren zur Straße hin fast immer geschlossen.
Erst als der Abriss begonnen hatte, bekamen die Nachbarn Einblick in den Klostergarten. Dort standen bis 2000 noch tragende Obstbäume. Ihre gefällten Stämme liegen im Gras.

 





Erst als der Abriss begonnen hatte, bekamen die Nachbarn Einblick in den Klostergarten. Dort standen bis 2000 noch tragende Obstbäume. Ihre gefällten Stämme liegen im Gras.

Winter 2000
Der Abriss ist in vollem Gange.



Der Tabernakel verlässt die Kapelle






In die Mauer des "Wohnparks Vischerung" wurde als letzte Erinnerung die Inschrift der Pforte eingegemauert.


Fotos: J.Hemesath, B.Knust, Stadtarchiv