Thessaloniki - die jüdische Stadt
Obwohl sie wegen ihrer byzantinischen Kirchen und einiger spätrömischer Ausgrabungen inzwischen auch ein beliebter Anziehungspunkt für Touristen geworden ist, blieb ihre ungewöhnliche Geschichte weitgehend unbekannt. Thessaloniki versteht sich als vorwiegend als Stadt des byzantinischen Erbes, aber die populäre Reiseliteratur verschweigt weitestgehend, dass die Stadt über einen Zeitraum von fast fünfhundert Jahren eine jüdische Stadt war.
Thessaloniki war nicht einfach nur eine Stadt mit einer großen jüdischen Gemeinde, wie es sie in anderen Teilen Europas auch gab, sondern eine Stadt, in der die Juden die Bevölkerungsmehrheit stellten und sogar über die wirtschaftliche und politische Macht verfügten. Über einen langen Zeitraum konnten hier Juden, Christen und Muslime friedlich zusammen leben und wirtschaften. Als im Jahre 1911 der spätere Ministerpräsident Ben Gurion die Stadt besuchte, war er überrascht über das, was er vorfand: Thessaloniki erschien ihm, dem überzeugten Zionisten, als das Vorbild für eine Hauptstadt des geplanten jüdischen Staates Israel.
Thessaloniki wurde als Jerusalem des Balkans bezeichnet, oder poetischer noch, als Mutter Israels.
Heute ist das jüdische Thessaloniki fast völlig verschwunden. Wer noch Spuren von ihm finden will, muss sich ganz bewusst auf die Suche machen. Natürlich hatte es im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Katastrophen und Einbrüche gegeben, von denen sich die Stadt jedoch erholt hatte. Der endgültige Niedergang wurde mit den Kriegszeiten des 20. Jahrhunderts eingeläutet und schließlich durch die Nationalsozialisten mit unvorstellbarer Brutalität in kürzester Zeit zu Ende geführt.
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