- Das Ägidiitor im Plan von Alerdinck 1636
- Blick auf das Ägidiitor von Boeselager
- Das Friedensdenkmal am Ägiditor
- Impressionen
Bernhard Reisman, Am Ägidiitor
Eines der reizvollsten Bilder der alten Stadt Münster, bevor ihr Wachsen den alten Rahmen sprengte und sie weit über den Kranz der Promenaden hinaus ins Land eingreifen ließ, ist eine kolorierte Lithographie aus der Zeit von etwa 1850, die sich im Besitz des Stadtarchivs befindet. Sie stellt ein Bild aus der Gegend von Pluggendorf vor etwa 110 Jahren da.
Von einem sandigen Wege aus sieht man Münster vor sich liegen. Dieser Weg war die Straße, die man damals Mecklenbecker Stiege nannte, noch früher die Sendener Stiege, später Mecklenbecker Straße und zuletzt Scharnhorstraße. Die Silhouette der Stadt, die dieses Bild bietet, ist schöner als man sie irgendwo sonst findet. Wenn das Bild auch wohl etwas gestutzt ist - die Kirche von Sankt Mauritz zum Beispiel hat man sicher auch wohl vor etwa hundert Jahren hier nicht sehen können, so ist das Bild doch offenbar ziemlich naturgetreu. Wer die Aawiesen vor der Anlage des Aasees gekannt hat und etwa unter den Baumgruppen an der Aa beim Himmelreich oder bei den Ruinen von Wersebeckmanns „Papierfabrik“ (Körnerstraße zum Aasee hin) gespielt hat, den muten die Baumgruppen links auf den Bilder vertraut und heimatlich an. Das Bild stellt die Landschaft dar, wie man sie ungefähr auf dem Platz der jetzigen Jugendherberge oder der Antoniusschule damals sah. Die sandige Straße zieht - links eine Windmühle (Bockmühle) - in weitem Bogen über den Vordergrund auf eine zweite Bockwindmühle zu, offenbar die Pluggenmühle, die etwa an der Ecke Norbertstraße und Weseler Straße stand, und von der die Ägidiivorstadt den Namen „Pluggendorf“ erhalten hat. Die ersterwähnte Windmühle, links vom Wege, die hinter einer Gruppe von knubbeligen Bäumen hervorschaut, muss wohl die Wellmühle gewesen sein, die Peter und Paul 1853 von einem großen Sturm umgeworfen wurde und in der Nähe der jetzigen Antoniusschule, vielleicht auch etwas weiter zu Pädagogischen Akademie hin, gestanden hat. Der Name mag von den Wellwiesen dort an der Aa abgeleitet sein, von der leichten Anhöhe, einer Bodenwelle oder von dem welligen Charakter dieser Wiesen mit ihren vielen Gruben, Kuhlen und Löchern herrühren, wie sie in den Aawiesen häufig vorkamen. Das Ägidiitor hatte seinen Namen von dem seit mindestens 1202 an dieser Stelle bezeugten ersten Zisterzienserinnenordens Westfalens, das 1468 die Benediktinerregel annahm und ursprünglich auf dem jetzigen Aegidiiplatz stand. 1821 stürzte der Turm dieser Kirche ein und beschädigte die Kirche so stark, dass man sich entschloss sie wegzuräumen. Entsprechend dem Geiste der Zeit und als Symbol seiner geistigen Verfassung errichtete der preußische Staat, der hierin aber weder besser noch schlechter war als andere Staaten, wie z. B. die Franzosen, auf dem Kloster-Gelände die Dreizehner-Kaserne, einen in seiner Art sogar architektonisch schönen Bau von ausgeglichenen ruhigen klassizistischen Formen. Die preußische Regierung überließ der Kirchengemeinde „zum heiligen Abt Aegidius“, die seit 1181 von St Lamberti abgezweigt war, die von Schlaun 1725 - 1729 erbaute Kapuzinerkirche als Pfarrkirche (1822). Sankt Aegidius wurde im Münsterland viel verehrt. Das Aegidii-Kloster in Münster dürfte mit seinen weitreichenden Beziehungen (zum Beispiel nach Paderborn und Liesborn) dazu viel beigetragen haben. Viele Familiennamen, wie Illig, Illigens, Gillen, Gilles, Schülgen, Schilgen, u.a. Haben in diesem Namen ihren Ursprung. Plattdeutsch sprach man den Namen dieses Heiligen nämlich Sünt Illigen, französisch hieß er „St. Gilles“. Das Ägidiitor war das Tor zum Westen hin; es führte zum Rhein. Dorthin ging die Verbindung zur großen Welt. Zumal in der Zeit, in der die Landesherren zugleich Erzbischöfe von Köln waren, wurde diese Verbindung wichtig. Doch auch vorher schon war der Weg zum Niederrhein für Handel und Wandel wie für den Verkehr mit Freund und Feind entscheidend. Zu diesem Stadttor hinaus führte auch der Weg zu den beiden Hochgerichten, dem des Bischofs beziehungsweise Domkapitels und dem der Stadt. In der Nähe der Stelle, die man jetzt den Scharfen Eck nennt, am Kappenberger Damm und der Weseler Straße (heute Weselerstraße 265), war die Richtstätte des Stadtgerichts, ein Galgen. Die Flurbezeichnung hält die Erinnerung hieran noch im Grundbuch und Kataster fest. Hier wurden Verbrecher und Hexen verbrannt oder - was als Gnade galt - anderweitig hingerichtet. Dass das hier an der wichtigen Straße zum Niederrhein hin geschah, hatte einen guten Sinn. Man wollte dem zweifelhaften Volk, das über diese Straße etwa gegen Münster gezogen käme zeigen, das mit der Stadt nicht zu spaßen sei. Weiter hinaus am Kappenberger Damm (kurz vor der Abzweigung Grafschaft), nicht weit vom Haus des Grafen Looz-Corswarem, bei dem Kolonat Helle, lag die Höllenburg, ein domkapitularisches Gefängnis, zugleich Richtstätte. Das Vorfeld vor dem Ägidiitor war eine besonders windige Gegend. Mit diesem Wind hingen auch die acht Windmühlen zusammen, die sich in ihrer Nähe befanden. (Quelle – Bilder und Text, leicht gekürzt: Fünfzig Jahre Pfarrgemeinde Sankt Antonius, Münster 1959) |